Christian Gross

IM Hawaii 2013: Mittendrin statt nur dabei

 

Leider ist die schöne Zeit auf Hawaii schon wieder um. Diese Zeilen entstehen im Flieger zurück nach San Francisco, wo ich die nächsten 1,5 Wochen verbringen werde. Fest steht aber, dass ich hierher zurückkommen muss.
Körperlich geht es mir etwas besser als noch vor ein paar Tagen, der fiese Sonnenbrand hat sich inzwischen verabschiedet, aber leider ein paar kleinere Verbrennungen hinterlassen. Der Muskelkater ist größtenteils verschwunden, die unglaublich große Freude „dabei-sein-zu-dürfen“ ist aber geblieben 🙂  Einen weiteren Rekord habe ich auch schon aufgestellt: 4 Tage am Stück ohne Sport, und es werden weitere folgen … Ich habe kein Sportzeug mitgenommen, das befindet sich alles in meinen Radkoffer – und der ist noch auf Hawaii und fliegt erst am Samstag zurück (Danke Alex & Sandra).

So, jetzt aber zum Rennbericht.
Nach einem kurzen Frühstück im Appartement zusammen mit meinem Zimmergenossen Alex machten wir uns gegen 4:30 auf zum Start. Wir erwischten gleich den allerersten Shuttle von Hannes und waren kurze Zeit später am Pier angekommen. Dort machten wir uns gleich auf zum Bodymarking, bei dem man seine Startnummer auf beide Oberarme geklebt bekommt. Das ist eine ganz spezielle Prozedur, die es so nur noch auf Hawaii gibt. Früher wurde das noch mit Stempeln draufgedruckt, inzwischen ist das so eine Art Kurzzeittatoo. Dieser Bereich ist nach Nummern eingeteilt, allerdings waren die entweder so undeutlich gekennzeichnet oder ich war einfach zu blöd das System zu verstehen – jedenfalls stand ich 3x an der falschen Schlange an bis ich die Richtige gefunden hatte und meine Nummer bekam. Die Stimmung dort war schon komisch, teilweise sehr angespannt und dann wieder sehr locker, irgendwie merkwürdig.
Anschließend ging es weiter zur Kontrolle des Zeitmesschips, dann zum Wiegen (wieder eine Premiere, das gibt es wohl auch nur hier) und danach durften wir endlich in die Wechselzone.
Diese ist sehr sehr eng, kaum Platz für Räder und Menschen, die Wege waren nur so breit das eine einzige Person dort laufen konnte. Mein Rad stand komplett am Ende des Piers, ich hatte also viel Fußweg mit dem Rad in der Hand vor mir in T1. Nachdem die üblichen Dinge wie Luftaufpumpen, Flaschen füllen usw. erledigt waren hatten wir noch sehr viel Zeit um uns in Ruhe die Profistarts anzuschauen. Ganz wichtig fürs nächste Mal: Stell dich nicht direkt neben die Start-Kanone wenn der Startschuss ertönt, das wird definitiv laut. Naja, wenigstens war ich dann richtig wach. Das war einer der Momente in dem man so richtig begreift wo man sich gerade befindet. All die vielen Jahre sieht man das nur am PC/Fernseher und träumt davon dabei zu sein, jetzt ist es gerade Realität geworden.

Direkt nach dem Start der Profifrauen haben wir uns an die Schlange beim Schwimmstart angestellt, alle 2100 Starter müssen nämlich eine ca. 2,5m breite Treppe hinunter. Das dauert, und obwohl wir relativ weit vorne waren standen wir dort geschlagene 10 Minuten an. Endlich im Wasser waren noch ca. 10 Minuten Zeit bis zum Start, die ich mit etwas Warmschwimmen und Wassertreten verbrachte. Die Startlinie ist ca. 100m vom Strand weg und da war es schon sehr voll. Ich entschied mich dann spontan für die Relax-Schwimm-Version und wollte die Atmosphäre genießen, d.h. ich hab mich sehr sehr weit hinten und mittig eingereiht. D.h. so gut wie alle Leute waren vor mir, und ich hatte den entspanntesten Schwimmstart seit langem. Die Stimmung war großartig, und nach ein paar Genussmomenten ging es dann auch wirklich los. Interessanterweise war in der Mitte gar nix los und ich habe so gut wie keine Schläge und Prügel abbekommen. Bis zum Wendepunkt musste ich leider sehr viele Leute überholen, aber das ging relativ gut. Nach dem Wendepunkt habe ich mir eine kleine Gruppe gesucht und bin an deren Beinen entspannt ins Ziel gedraftet. Nach 1:10:51h hatte ich wieder festen Boden unter den Füssen.

Kurz danach stand ich auch schon unter einem der vielen Wasserschläuche, um das Salz abzuspülen und den Salzgeschmack aus dem Mund zu bekommen. Direkt anschließend ging es samt Wechselbeutel in das Wechselzelt, dort zog ich die Schwimmsachen aus und ein Fahrradtrikot an, holte mir eine Ladung Sonnencreme ab und weiter ging es in Richtung Rad. Das war einfach zu finden, es standen an dieser Stelle nicht  mehr so viele Räder rum. Leider lag mein Helm samt Visier am Boden, irgendjemand muss den wohl abgeräumt haben. Das Visier war nicht mehr befestigt, sondern lag neben dem Helm, die Scheibe leider total verkratzt. Fängt ja gut an …
Mir blieb also nix anderes übrig als das Visier wieder am Helm zu befestigen und zu hoffen, dass die vielen Kratzer die Sicht nicht beeinträchtigten. Zum Glück war das auch so.
Der Weg durch die Wechselzone war lang und langsam, da man nicht überholen konnte und einige mit ihren Radschuhen an den Beinen es nicht gerade eilig hatten. So kam meine bisher langsamste Wechselzeit der Karriere zustande, 4:19 Minuten.
Endlich auf dem Rad sitzend folgte dann eine meiner Lieblingsübungen, das Feld von hinten aufrollen. Und damit war ich bis ans Ende der Radstrecke beschäftigt… Die ersten Kilometer führen durch die Stadt, dann kurz auf den Queen-K Highway, Palani-Road abwärts auf den Kuakini-Highway und das ganze wieder zurück. Das war der vollste Streckenabschnitt, da war richtig was los. Teilweise war Überholen nicht möglich, da es sich so gestaut hat. Auf dem Queen-K Highway in Richtung Hawi wurde es dann etwas besser, bis Kawaihae bin ich fast nur auf der linken Überholspur unterwegs gewesen. Die Bedingungen waren bis dahin sehr gut, noch nicht richtig warm und etwas Rückenwind. Immer wieder überholte ich große Radgruppen, das hatte eher was mit Radrennen als Triathlon zu tun. Das sollte auch bis zum Ende so bleiben, Kampfrichter habe ich kaum gesehen. Das war sehr enttäuschend, immerhin war hier die Weltmeisterschaft!

Es gab viele Verpflegungsstellen und ich holte mir an jeder 2 Flaschen Wasser, eine zum Kühlen und eine zum Trinken. Leider waren das normale Plastikwasserflaschen, nach einmal Trinken waren die so verbeult das kein Flaschenhalter der Welt die mehr richtig festhalten konnte. Das hatte zur Folge, dass ich selbst 4 von den Flaschen verlor – einmal sogar direkt nach einer Verpflegungsstelle. Zum Glück hatte das keine negativen Auswirkungen.
Am Anstieg nach Hawi hat sich dann das ganze Feld noch einmal richtig zusammengeschoben, da war es richtig voll. Ich konnte weiterhin viele Plätze gutmachen, ab und an wurde man auch mal von kleineren Gruppen überholt (wie immer, keine Kampfrichter!). Die Abfahrt von Hawi runter war ebenfalls sehr angenehm, es war so gut wie kein Wind vorhanden. Ab Kawaihae wurde es dann windig, und zwar für mich aus einer sehr angenehmen Seitenwind-Richtung. So konnte ich weiterhin Platz um Platz gutmachen, allerdings nicht mehr ganz so viele wie am Anfang. Das Feld war jetzt doch einigermaßen verstreut und viele waren für sich alleine unterwegs in den Lavafeldern.


Ein einziges Erlebnis gibt mir aber zu Denken und lässt mich an der Fairness mancher Sportskameraden zweifeln. Irgendwann zwischen Kawaihae und dem Scenic Point habe ich einen irischen Teilnehmer überholt; dieser hatte aber nix besseres zu tun als sich mir direkt in den Windschatten zu hängen und mir in 30cm-Abstand zu folgen. Am Anfang habe ich das nicht mitbekommen, einige Meilen später habe ich mich umgedreht und ihn erstmals gesehen. Ich wunderte mich, hatte ich ihn doch schon vor einiger Zeit überholt. Wie konnte der das wieder zufahren? Oder hat er es gar nicht zugefahren? Das war schon richtig dreist, auch übelste Beschimpfungen meinerseits konnten ihn nicht davon abhalten das weiter zu tun 🙁 Ein paar Meilen später hab ich dann rausgenommen und ihn somit gezwungen vorbeizufahren. Als er das getan hatte habe ich einmal richtig Schwung geholt und bin so schnell an ihm vorbeigefahren dass er es nicht mehr in den Windschatten schaffen konnte. Gesagt getan, dachte ich zumindest- Versuch 1 habe ich etwas später aufgegeben, der Typ hing an mir wie eine Klette. Ok, dann nochmal das gleiche Spiel, erst beschimpfen, dann langsam machen und dann mit Schwung vorbei. Der zweite Versuch saß dann auch, das tat mir richtig weh, aber immer noch besser als den mit in T2 zu schleppen. (Es war übrigens nicht der, der auf dem folgenden Bild zu sehen ist, aber es verdeutlicht doch ganz gut wie gefahren wurde).
Soviel zur Windschattenproblematik und zum Gruppen-Radfahren, andere Teilnehmer haben mir Ähnliches berichtet. Da muss der Veranstalter einfach härter durchgreifen, das ist einer WM unwürdig. Oder die Teilnehmerzahlen wieder reduzieren (was aber eher andersrum passieren wird).

Gegen Ende wurde es dann auch für mich etwas anstrengender, es war doch deutlich wärmer geworden und ich hatte auch nicht mehr die Form vergangener Wochen. Alles in allem bin ich mit der Radzeit von 4:53:47h sehr zufrieden. Nicht zufrieden bin ich mit dem Sonnenbrand, den ich mir dabei eingefangen habe – der war richtig heftig und tat auch zwei Tage später noch richtig weh. Trotz Kühlung, After-Sun und sonstiger Chemie 🙁

Kurz vor T2 ging es raus aus den Schuhen, dann die letzte Abfahrt in die Wechselzone und runter vom Bike. Einmal rund um die Wechselzone gerannt, Laufbeutel geschnappt und wieder ins Wechselzelt gerannt. Helm ab, Trikot aus, Laufgürtel und Startnummer umgehängt, Socken und Schuhe angezogen. Die anderen Sachen hat ein freundlicher Helfer eingepackt. Mütze und Brille mitgenommen zur Sonnencreme-Station und nochmal eincremen lassen. Nach weiteren 3:17 Minuten war ich dann wieder auf der Strecke. Geschlagene 7:38min habe ich in der Wechselzone verbracht, das geht wohl auch schneller 😉 Allerdings bin ich noch weit entfernt vom diesjährigen Rekord in T2, da hat ein Teilnehmer satte 40 Minuten drin verbracht!

Direkt nach T2 geht es dann ein kurzes Stück bergan, da wusste ich schon dass dieser Lauf kein Spaß werden würde. Die ersten Kilometer waren schrecklich, ganz anders als sonst. Die Beine taten höllisch weh, dazu die Hitze und kein Wind. Das Stück auf dem Alii-Drive, die ersten 15 Kilometer, waren im Nachhinein betrachtet die Schlimmsten. Dort war es elendig heiß, die Hitze stand dort drin und es ging überhaupt kein Wind. An jeder Verpflegungsstelle nahm ich alles was ich greifen konnte, Schwämme, Wasser, Eis, Wasser, Schwämme. Das meiste ging für die Kühlung drauf, ein paar Schluck Wasser flossen aber auch in mich.

Nach ca. 3-4km wurde es dann besser, die Beine taten nicht mehr so weh und auch technisch war das jetzt als Laufen zu bezeichnen. Bei KM10 gönnte ich mir einen kurzen Stopp auf einem Dixie-Häuschen, dort drinnen konnte man richtig spüren was der fehlende Laufwind ausmacht – es war höllisch heiß und wurde immer wärmer je länger ich auf dem Dixie war. Mein Körper kochte förmlich. Zum Glück gab es direkt dort eine Verpflegungsstationen, dort machte ich gleich nochmal Halt und kühlte mich erneut.

Vom Alii-Drive ging es dann wieder zurück auf den Kuakini-Highway, dann über die steile Palani-Road hoch auf den Queen-K Highway in Richtung Energy-Lab. Bis ca. KM23 lief es dann ganz ordentlich, ab dann wurde es merklich schlechter und ich bekam sozusagen die Quittung für meine bisherige Saison (zu viele Ironmans, keine Erholung sowie fehlende Vorbereitung für diesen). Das Stück auf dem Queen-K zum Energy-Lab zog sich ewig hin, das einzig Positive daran war der jetzt vorhandene Wind zur Kühlung. Im Energy-Lab selbst war es relativ angenehm, kein Vergleich zu dem was man sonst so davon hört. Es war auch aus meiner Sicht ganz gut zu Laufen, allerdings zog es mir direkt danach endgültig den Stecker. Ab KM35 war es dann aus mit Laufen, das hatte eher was mit Rumtorkeln zu tun. Trotzdem ging es noch einigermaßen vorwärts, zum Glück musste ich nicht gehen. Außer in den Verpflegungsstellen, ab diesem Zeitpunkt war das Motto “walk the aid stations”.

Auf dem welligen Highway ging es dann wieder hoch in Richtung Kailua zur Palani, das folgende steile Bergabstück gab mir dann den Rest. Total tot noch so ein Gefälle runterzulaufen tut richtig weh, aber immer in dem Wissen dass man es jetzt definitiv geschafft hat. Es ging nur noch eine kleine Schleife durch den Ort und dann in Richtung Ziel. Allererstes Ziel war es nun, alleine auf dem Zielfoto zu sein. Das war einfacher gesagt als getan, viele kämpften hier noch um die letzten Sekunden. Ich dagegen habe erstmal die Mütze beiseite geräumt und die Brille abgesetzt, das Foto sollte auch ordentlich aussehen bzw. ich sollte darauf auch zu erkennen sein. Irgendwann hatte ich dann endlich den passenden Moment gefunden und ich konnte tatsächlich alleine die Ziellinie überqueren. Es war ein geiles Gefühl, der Lohn für viele Jahre harte Arbeit und die Erfüllung eines Traumes.
Der Marathon war mit 3:17:27h doch nicht so schlecht wie er sich angefühlt hatte, aber fairerweise muss man auch sagen dass ich das deutlich besser kann. Beim nächsten Mal, versprochen 😉
Die Gesamtzeit betrug 9:29:41h, Platz 62 in der AK M30-34, Platz 225 gesamt. Das aber nur zur Vollständigkeit, es spielt keine große Rolle für mich. Dabeisein war das Motto, und Genießen so gut es eben geht.

Leider darf man das nicht allzu lange genießen, nachdem man den Blumenkranz umgehängt bekommen hat wird man auch sofort aus dem Zielbereich abgeführt. Freundlich, aber bestimmt. In diesen Minuten wird einem dann immer mehr bewusst, was man da erleben durfte und was das für einen selbst bedeutet. In meinem Falle sehr sehr viel (um nicht zu sagen fast alles), das ist nicht in Worte zu fassen. Auch jetzt noch, Tage danach, kann ich das noch nicht richtig beschreiben.
Es war jedenfalls so schön, dass ich wieder hierher möchte. Auch wenn es das erste Mal wahrscheinlich nicht zu übertreffen sein wird.

Zum Schluss möchte ich noch allen danken, die dazu ihren Teil beigetragen haben. Vielen vielen Dank, ohne euch wäre es nicht möglich gewesen!!!
Vielen Dank auch für die vielen Nachrichten, Glückwünsche usw. die mich in dieser Zeit erreicht haben. Ihr seid großartig!